Werner Keller

 

Am 12. Januar 2018 ist Werner Keller 90jährig geworden. Da Werner stets noch an die HV kommt und auch bei der GUSPO dabei ist, kennen viele Gürteler unseren wackeren und noch rüstigen Senior. Sein Vater war - wie der Grossvater - Angestellter der Firma Kohlen-Hirter und wohnte in Bümpliz. Als erster Lastwagenchauffeur seiner Firma fuhr er bald nach der vorderen Jahrhundertwende mit den für damalige Begriffe hochmodernen Vollgummiräder-Lastwagen und war wahrscheinlich der erste Schweizer Berufschauffeur überhaupt, dem wegen Trunkenheit am Steuer der Fahrausweis vorübergehend entzogen wurde...

Als Werner geboren wurde, war Bümpliz noch ein Bauerndorf. Da sein Vater zeitweise arbeitslos war, lernten die fünf Kinder schon sehr früh die Härten des Lebens kennen. In der Freizeit und während den Schulferien mussten sie bei den Bauern die Äpfel und Kartoffeln durch Arbeit abverdienen. Während den letzten vier Jahren der neunjährigen Primarschulzeit wurde Werner bereits in den sogenannten Arbeitsprozess eingegliedert. In einer Färberei-Chem. Reinigung war er für 20 Franken monatlich als Ausläufer unterwegs. Mit einem klugen Schachzug konnte er später sein Monatsgehalt auf 25 Franken hinaufschrauben. Er kaufte nämlich mit dem ersten Jahresgehalt ein

 

eigenes älteres Velo (mit Vollgummipneus, Kriegszeit!), wodurch er Anspruch auf eine monatliche Veloentschädigung von fünf Franken hatte. Recht ungern erinnert er sich heute an diese Zeit, wo seine Kameraden zum Baden und Fussballspielen gingen, während er selber auf den "Kehr" musste. Wenn er trotzdem mit Freude an seine Jugendzeit zurückdenkt, so verdankt er dies den überaus lieben und guten Beziehungen zu seinen Eltern und Geschwistern. Ebenfalls dankbare Erinnerungen hat er an den SATUS-Turnverein Bümpliz, dem er als Jugendriegler und später als aktiver Kunstturner angehörte.

Trotzdem es 1944 recht schwierig war, hatte er das Glück, eine Lehrstelle als Radio-Elektriker zu finden. Nach erfolgreichem Lehrabschluss war er fünf Jahre lang im Aussendienst tätig, wobei ihm ein Servicewagen zur Verfügung stand, mit dem er in der deutschen und der welschen Schweiz unterwegs war. Der Chauffeurberuf seines Grossvaters vererbte sich offenbar auch auf seinen Enkel.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gold und Silber bei den Senioren

Denn bereits mit 19 Jahren hatte er seinen Autoausweis und bald darauf für Motorräder und nach der RS als Lastwagenfahrer auch diesen Ausweis in der Tasche. Dass er trotzdem nie einen eigenen Wagen anschaffte, macht ihn noch heute stolz.

 

1953 absolvierte er die Lehre als Kondukteur bei den SBB und 1968 macht er die Zugführerprüfung. Bei den Berner Verkehrsbetrieben scheiterte seine Bewerbung, da er den "Vorwärts" abonniert hatte und der Bottiger Polizist dies wohl gemeldet hatte. [Ursprünglich war die Zeitung ein Organ der Sozialdemokratischen Partei, später der Kommunistischen Partei der Schweiz. Ab der Gründung der Partei der Arbeit 1944 war sie deren Organ.] Auch bei der Vorstellung bei den SBB wusste der Personalchef, welche Zeitung er abonniert hatte, wollte ihm aber deswegen keine Steine in den Weg legen. Die Schweiz war damals wie heute von heimlichen und unheimlichen Patrioten überwacht. Werners Bruder war Funktionär bei der PdA. Werner hingegen war weniger radikal, hatte aber sein Leben lang eine positive Lebensauffassung und unterstützte eine fortschrittliche sozialdemokratische Politik ohne je einer Partei anzugehören.

Der Zugführerberuf bereitete dem kontaktfreudigen und charmanten Werner von jeher viel Freude. Wer Werner näher kennt, kann sich das lebhaft vorstellen. Seine freundliche und gewinnende Art im Umgang mit allen Menschen, seine Bereitschaft, Verantwortung zu tragen und seine Begabung, in jeder Situation ruhig Blut zu bewahren und menschlich annehmbare Entscheidungen zu treffen, lassen ihn als Idealbesetzung für diesen Beruf erscheinen. Sicher könnte er auch manches Erlebnis zum Besten geben. Aber nur, wenn er danach gefragt wird, erzählt er in seiner bescheidenen Art von bestimmten Situationen, wo beispielsweise im fahrenden Zug Feuer ausgebrochen war, oder wo ein Reisender, der unbedingt das nächste Flugzeug in Kloten hätte erreichen müssen, im falschen Zug sass. Nur ungern berichtet er dann weiter, wie er diese Situationen gemeistert, die Reisenden beruhigt und das Feuer gelöscht hat. Oder wie der im falschen Zug Sitzende dazu überredet werden musste, nicht sofort die Notbremse zu ziehen und Werner dann mit grossem persönlichen Einsatz dafür gesorgt hat, dass der Mann dieses Flugzeug auch tatsächlich noch erreichte. Und er hat auch wertvolle Tipps: Wer ohne Billet reist, soll sich nicht neben eine schöne Frau setzen, denn wenn der Kondi kommt und dort neu einen sitzen sieht, weiss er genau, dass er ihn kontrollieren muss.

Wer an Wochenenden arbeitet, hat es nicht allzu leicht, einem Hobby nachzugehen. Werners Passion war die Bergsteigerei. Der Redaktor ist schwer beeindruckt von seiner 4000er Liste. Da er selbst alle bestiegen hat, weiss er, was es heisst, 30 Schweizer Giganten bestiegen zu haben. Auch seine sonstige Tourenliste ist unglaublich lang. An den Skitourenwochen des Brancaklubs von 1961-2016 nahm er wohl ausnahmslos an allen teil. Val da Camp, Rieserfernergruppe, Haute Route, Gran Paradiso waren äusserst attraktive Ziele für den ausgezeichneten Skifahrer. Etwas gebremst wurde Werner, als er im Frühjahr 1984 auf einer Bergtour im Trift-Dammastock-Gebiet einen Herzinfarkt erlitt. Er bestieg dann aber immerhin noch das Lagginhorn mit 4010 Metern, so wie der Redaktor dieser Zeilen nach seinem Herzinfarkt fast noch mehr in den Bergen ist als vorher. Dass Werner mit 90 Jahren noch seine Grosstochter hütet, alle Einkäufe alleine macht und diese ohne Lift in den zweiten Stock hochträgt, macht Mut und zeigt, dass man solche gesundheitlichen Rückschläge wettmachen kann.

Da Werner nach dem Infarkt doch mehr zu Hause war als früher, kam seiner Ehefrau Albina zugute, die ihn auch heute noch begleitet und mit ihm zusammen selbständig den Haushalt führt. Spitex ist noch kein Thema und das ist gerade in der heutigen Zeit auch verständlich...

 

Eine weitere Leidenschaft von Werner ist das Schachspiel, das er in der Rekrutenschule erlernte. Er spielte vor allem mit Berufskollegen und von 1953-1959, als er in Olten stationiert war, spielte er im dortigen Eisenbahnerschachklub. In Bern versuchte er es dann beim KV-Mutz, wo ihm jedoch die steife Atmosphäre - man  duzte sich nicht - nicht zusagte. 

 

 

 

 

Im Keller bewahrt Werner einige Relikte auf. So drei Paar Steigeisen und drei Pickel. Und auf dem Kalender von Dölf Reist sieht man den Bianco-Grat an der Bernina. Einer der drei klitzekleinen Bergsteiger ist Werner.

Durch Sepp Inauen, den er von der Freidenkervereinigung her kannte, kam er 1979 zum ASV Gurten. Allein schon der Umstand, dass sich der Verein noch immer durch seinen Namen zur Arbeiterschaft bekannte, war ihm sympathisch. Noch sympathischer waren ihm dann die Mitglieder und er spielte jahrelang in unseren Reihen. Schon fünf Jahre nach seinem Beitritt wurde er zum Vizepräsidenten gewählt. Seine grössten schachlichen Erfolge erzielte er bei den durch Otto Burkhalter gegründeten Schach-Seniorenturnieren. 1993 errang er Gold und 1998 Silber. In der Kategorie C siegte er im Turnier 1980/81. Werner soll uns allen noch heute ein Vorbild sein. Meines ist er auf jeden Fall!

 

 

Matthias Burkhalter nach einem Bericht im Gurtenläufer von Otto Neuenschwander. In: Der Gurten-Läufer Nummer 1 2018